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Die Bildvermehrung
Das Projekt Bilderspur versammelt 182 Bilder rund um die Schweiz aus 30 Ländern, die wir während 342 Tagen bereist haben. Für das Internet zeigen wir eine Auswahl. Auf 30'000 Kilometern Bilder geerntet und dabei 1800 Liter Diesel verbraucht, pro Bild also 9,9 Liter Treibstoff. Das Richtstrahlzentrum Felsenegg bei Zürich ist mit mehreren Tonnen Batterien und mit einem Dieselmotor für den Notfall ausgerüstet, falls die Station beim Zusammenbruch der Stromversorgung weiterhin Bilder empfangen und senden muss. Auch in Albanien findet man solche Parabolantennen an oft ruinenhaften Wohnhäusern, auf Balkonen und an Fenstersimsen befestigt, um von vorbeifliegenden Satelliten Bilder aufzufangen. Bildsüchtige Menschen? Oder ist das Bild vom Wohlstand ein Trost für die Armen? Die Bildvermehrung verbraucht Energie und macht manchmal Sinn, nur von einem Bild voller Fische wird man nicht satt, so wie man von einem Bild voller Regen nicht nass wird. Bilder wandern umher wie Boten, hängen an der Zimmerwand als Trophäe oder erscheinen in allen möglichen Medien, um möglichst viele Wechsel der Vorstellungsebene zu erzeugen. Leider fehlt meistens der Ursprungsort des Bildes, und wenn er erwähnt wird, dann sind wir doch nicht physisch dabei. Dieser Ort wechselt auch ständig, und wir hüpfen im Geist ziemlich orientierungslos von Ort zu Ort. So hat es der Fernseher leicht, uns zu hypnotisieren. Das persönliche Bild, an seinem Ort fotografiert, stellt eine Art Geburtsurkunde dar. Sie ermöglicht dem Betrachter, das Bild mit seinem Gegenstand zu vergleichen. An der Stelle, wo wir wie Parabolspiegel die Bilder eingefangen haben, korrespondiert etwas synchron von innen und von aussen. Ein Ort wird beschrieben. Realität und Interpretation ergänzen sich zu einem neuen Bild und manchmal zu unerwarteten Metaphern: Das Bild ist ein Aquarium voller Delikatessen, im Bild wird gewartet, Holland ist so flach wie eine Leinwand, gefällte Bäume, zum Holzfloss gebündelt, zu Kleinholz, zu Papier, zum Bild von gefällten Bäumen in Finnland. Das Bild wird durch seine Verdoppelung potenziert und könnte sich so unendlich reproduzieren, ohne den Ort zu verlassen.
Dominique Lieb
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